Der Euro als integratives Projekt Europas - trotz allem

 

EU-Osterweiterung zwischen 2004 und 2007  Die Osterweiterung in der Zeitspanne zwischen 2004 und 2007 hat die EU heterogener und schwerfälliger gemacht. Die Erweiterungsbereitschaft der EU war Ausdruck eines ausgeprägten gesamteuropäischen Verantwortungsgefühls im Interesse Europas. Für viele Kritiker von heute dominiert bisweilen der Eindruck „mangelnder Ernsthaftigkeit“ bei den Bemühungen um eine Stabilisierung und Vertiefung des Währungsprojektes. Das zeigte sich bereits seinerzeit mit der sanktionslos gebliebenen Nichteinhaltung der Maastricht-Kriterien bis hin zu den anhaltenden Ausnahmediskussionen rund um den Fiskal- und Stabilitätspakt.

Der niederländische Historiker und Philosoph Luuk von Middelaar konstatiert dazu, dass nur wenige EU-Bürger heute – im Gegensatz zur Ebene der Nationalstaaten – europäische Entscheidungen aus Brüssel als „unsere Entscheidungen“ oder europäische Entscheidungsträger als „unsere Repräsentanten“ betrachten. Zudem mutiert „Europa“ vor dem Hintergrund der vielschichtigen Krisen zu einem „Mitgliederkreis“ mit einem vielstimmigen demokratischen Resonanzraum, der von starken nationalen Lobbygruppen dominiert wird. So betreibt die EU seit den finanziellen und politischen Krisen von 2008 laut Middelaar eine reaktive „Ereignispolitik“, um die gemeinsame Währung und die Eurozone zu retten. Das trifft auch auf die Flüchtlingspolitik und die Brexit-Verhandlungen zu.

Europäisierung der nationalen Politik auf längere Sicht   Der vieldimensionale „Druck von außen nach innen“ bewirkt längerfristig dabei nicht unbedingt nur eine Renationalisierung der europäischen Politik, sondern vielmehr eine Europäisierung der nationalen Politik. Damit würde der europäische Zusammenhalt innerhalb der EU wieder deutlich zunehmen, glaubt Middelaar.  

Der deutscher Soziologe und Politikwissenschaftler Claus Offe sieht wiederum die EU, Schengen und die Euro-Zone am Scheideweg: Entweder es gelingt eine deutliche Verbesserung  der institutionellen Strukturen, oder das europäische Projekt zerbricht. Für ihn stünden im Interesse der Krisenabwehr in den Mitgliedsstaaten der EU unpopuläre Maßnahmen an, wenn es nämlich um die Neuverteilung von Bürden und Zuständigkeiten im EU-Raum geht. In diesem Zusammenhang tritt Offe dementsprechend für eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik ein.

Diese These wird im Expertenkreis durchaus kontrovers diskutiert. So wird nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass eine von oben erzwungene zentralistische Vision der EU im Sinne der „Vereinigten Staaten von Europa“ viel zu kurz greife. Vielmehr brauche es einen Unionsgedanken, der sich vertiefend dem Subsidiaritätsprinzip verschrieben hat, der Europa über die Unionsgrenzen hinaus anerkennt und das kosmopolitische Potenzial Europas lebt, meint etwa Otfried Höffe, emeritierter Professor für politische Philosophie an der Universität Tübingen. So müsse ein „Zusammenwachsen“ Europas auf demokratische Weise geschehen und könne nicht einfach von Brüssel aus „diktiert“ werden.

Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas nimmt hier eine Zwischenposition ein. Auch wenn das Projekt Europa aus seiner Sicht ein „Projekt der Demokratisierung“ ist, so sei für ihn ein zu bildender europäischer Bundesstaat nicht das finale Ziel ökonomischer und politischer Vernunft. Vielmehr vertritt er den Gedanken einer „Transnationalisierung“ der Demokratie und Europas. Diese beinhaltet einen demokratischen Prozess, der die nationalen Parlamente (und Verfassungsgerichte) ihrer Funktion und Bedeutung nicht beraubte.

Trotz aller Turbulenzen und Krisenerscheinungen ist die gemeinsame europäische Währung ein wichtiger Integrationsanker am Kontinent. Sie setzt nach Meinung des britischen Historikers Harold James einen gemeinsamen Nenner und den fiskalischen Rahmen, der Europa in Zukunft dazu zwingt, unterschiedliche Werte und Befindlichkeiten miteinander in Einklang zu bringen. Der Euro hat als integratives Projekt Europas keineswegs ausgedient.

 

Wolfgang Taus

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