Gesundheit ist mehr als nur Vererbung
Wichtiger als die Gene sind fast immer unsere Erfahrungen und unser Lebensstil. Das widerspiegelt sich nicht zuletzt im aufstrebenden Wissenschaftszweig der Biologie, der sogenannten Epigenetik. Nach seinem 2014 erschienenen Sachbuch „Der zweite Code: EPIGENETIK oder Wie wir unser Erbgut steuern können“ legt der studierte Biologe und Wissenschaftsjournalist Peter Spork ein brandneues Buch vor, in dem er seine Einsichten vor dem Hintergrund neuester Erkenntnisse auf diesem Gebiet vertieft.
Es steht außer Zweifel: „Gesundheit“ ist kein Zufall. Auch wenn immer noch viele Mediziner daran festhalten, dass Krankheiten eine „Summe aus Zufall, aktuellem Lebensstil und genetischem Schicksal“ darstellen, so versucht der Autor dem interessierten Leser den Blick zu schärfen für eine weitaus vielschichtigere Sichtweise. Gesundheit ist kein starrer, unflexibler Zustand. Sie entsteht aus der Summe bzw. dem „Mittelwert“ all der vielen kleinen, mal bewussten, mitunter aber auch unbewussten Entscheidungen, die wir ständig treffen, sowie aus den Entscheidungen unserer Eltern und Großeltern: für die Treppe und gegen den Fahrstuhl; für das frische, selbst zubereitete Essen und gegen das Fertiggericht; für die Pause und gegen das Durcharbeiten; für das frühe Zubettgehen und gegen den Spätkrimi im Fernsehen…Bei der Gesundheit geht es nicht um das Erreichen eines Zustandes. „Gesundheit ist kein Ziel, sondern ein Weg“, betont der Autor mit Recht. Es ist dementsprechend „ausgesprochen gesund“, sich mal besser und mal schlechter zu fühlen. „Gesundheit ist ein tagtäglicher Prozess“, der uns in der Auseinandersetzung mit unserer Umwelt verändert und prägt. „Gesundheit heißt, dass es Veränderungen gibt – möglichst viele davon natürlich zum Guten“, so der Autor. Dem kann man sich nur anschließen.
Maßgeblich ist, dass jene Entscheidungen überwiegen, die positiv für unsere Gesunderhaltung sind. Wenn wir etwa regelmäßig laufen, Fahrrad fahren oder schwimmen, wird uns unsere Biologie langfristig dafür belohnen. Dann wird es sogar zu unserem intuitiven Drang werden, diese Tätigkeit zu wiederholen. Das geschieht ganz ohne Zwang, denn unser Innerstes ist auf einmal molekularbiologisch auf das Gesundsein ausgerichtet.
Im Grunde geht es hier um Selbststeuerung und damit um „Freiheit“. Wir können selbst bestimmen, was wir im Dienst unserer Gesundheit tun oder lassen. Es sind die frei aus unserer eienen Verantwortung heraus getroffenen Entscheidungen, die zählen. Daraus folgt, dass Verantwortung für die eigene Gesundheit sehr viel weiter reicht, als wir bislang dachten. Denn einen Teil unserer Gesundheit vererben wir weiter. Und dadurch, wie wir unsere Kinder beim Aufwachsen unterstützen, prägen wir ihre Gesundheit ganz entscheidend mit. Wir reichen unsere Anpassungen also weiter: ob wir zu Fastfood greifen oder nicht.
Dementsprechend werden wir im Laufe unseres eigenen Lebens höchstwahrscheinlich durch den Lebensstil und die Erfahrungen der Vorfahren epigenetisch geprägt. Persönlichkeit und Krankheitsanfälligkeit sind vor diesem Hintergrund nicht nur eine Frage der geerbten Gene, sondern immer auch der epigenetischen Prägung aus der Vergangenheit.
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