Die Sache mit dem freien Willen

Gibt es einen freien Willen oder nicht? Seit Jahrhunderten liegen sich nun schon die moderne Naturwissenschaft und die Philosophie darüber in den Haaren. Dabei entscheiden wir uns an jeder Kreuzung, jeder Weggabelung im Leben für eine bestimmte Richtung. Auch in diesem Moment hätten Sie sich für viele andere Dinge entscheiden können, doch Sie sitzen hier und lesen diese Zeilen. Wir treffen täglich unzählige Entscheidungen, kleine und große. Selbst wenn Sie ein Gewohnheitstier sind, so zwingt Sie keiner dazu, immer das Gleiche zu tun. Allerdings hat diese persönliche Freiheit Grenzen, wo Ihnen keineswegs alle Möglichkeiten offen stehen: So können Sie nicht einfach beschließen, etwa die Genfer Konvention abzuschaffen oder „auf den Mond zu hüpfen“, betont der britische Philosoph Julian Baggini in seinem bemerkenswerten Buch. Er versucht der Sache mit dem freien Willen auf den Grund zu gehen und beleuchtet diese Frage von vielen Seiten. Er lässt dabei Philosophie, Neurowissenschaften und Psychologie zu Wort kommen.

Gibt es einen freien Willen oder nicht?   Das Gefühl, dass wir für uns Entscheidungen treffen und unsere Zukunft gestalten können, scheint universell zu sein und stellt den Dreh- und Angelpunkt unserer Wahrnehmung von uns selbst und anderen Menschen dar. Dieses Gefühl ist zwar keine Illusion, aber es ist auch nicht das, was es zu sein scheint, meint der Autor. Wir können die Willensfreiheit aus der Umklammerung der Neurowissenschaftler und Deterministen loseisen, doch in einer reformierten Form. Zunächst müsse man sich von der „libertären Idee“ befreien, dass der Mensch Entscheidungen treffen kann, die unabhängig von der Vergangenheit seien. Zudem lasse sich die These, ein libertär gedachter freier Wille sei zentral für moralisches, zielgerichtetes Handeln, wohl nicht aufrechterhalten. So enthalte die Zukunft immer mehr als einen möglichen Weg. Frei zu sein, bedeutet, zu entscheiden, welchem Pfad man nun folge, argumentiert der Autor. In diesem Fall zähle nämlich wie wir vorwärtskommen – wie wir mit den daraus entstehenden Situationen des eingeschlagenen Pfades umgehen.

Was  im Leben zählt, ist, was wir tun und vor allem  wie  wir es tun – und nicht, was wir hätten anders machen können, hält Baggini mit Recht fest.

Jenseits aller absolutistischen Sichtweisen eines freien Willens sei ein realistischer Blick angebracht, um ein besseres Gespür für das, was wir nicht beeinflussen können, zu bekommen.

Um ein gutes Leben zu leben, müssen wir fähig sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen. „Frei zu sein, heißt, in erster Linie auch loszulassen von all den Dingen, die nicht zu dieser Vorstellung gehören. Und das ist wiederum nur möglich, weil „die Welt uns unsere Überzeugungen, Vorlieben und Abneigungen nicht aufzwingt“, so der Autor.

Baggini widerlegt die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung, die die Menschen nicht als „Herren ihrer Gedanken“ erscheinen lassen: Da wir als komplexe Wesen zum Denken fähig sind, sind wir verantwortlich dafür, unseren Willen zur Erweiterung unserer Freiheitsgrade einzusetzen.

Allerding ist der freie Wille in seinem absoluten Postulat nicht das, wofür man ihn einmal hielt, oder das, was viele sich wünschen würden. Hier ist der diesbezüglichen Kritik der Naturwissenschaften durchaus zuzustimmen.

Baggini hingegen versucht in seinem mehr als tiefgehenden Buch dem Leser eine realistische Art von Willensfreiheit ans Herz zu legen, die naturwissenschaftliche Einwände und Philosophie miteinander in Einklang bringt. So ist der freie Wille eine  ständige „Arbeit an sich selbst“, um Verantwortung zu übernehmen und damit so viel Kontrolle wie möglich über unser eigenes Schicksal ausüben zu können.

 

Julian Baggini, Ich denke, also will ich – Eine Philosophie des freien Willens, DTV 2016, 272 Seiten.

 

Bewertung: *****

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