Die Habsburger-Monarchie ab 1866/67 bis 1914

Österreich und seine Hauptstadt Wien stellten über Jahrhunderte das Zentrum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, eines Weltreiches, dar. Von ihm waren lange Zeit wichtige Impulse des internationalen Geschehens ausgegangen. Die politischen und militärischen Entscheidungsträger Europas hatten stets auch auf Wien geblickt, wenn sie Vorstöße nach außen planten oder auf solche Vorgänge zu reagieren trachteten. Die militärische Niederlage Österreichs gegen das aufstrebende Preußen von 1866 bei Königgrätz bedeutete eine wichtige Vorentscheidung für die kleindeutsche Lösung.

https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51RXyy68PqL._SX353_BO1,204,203,200_.jpg Doch der militärische Sieg der preußischen Truppen in Böhmen war nicht zwangsläufig, betont etwa der deutsche Militärhistoriker Klaus-Jürgen Bremm in seinem aktuellen Buch mit dem Titel „1866 - Bismarcks Krieg gegen die Habsburger“ . Es war dann (nicht wie bislang angenommen) ein einfach errungener Sieg. Er ebnete zwar den Weg zur deutschen Einheit 1871 im späteren Kaiserreich, blieb aber eine „kleindeutsche Lösung“ – ohne Österreich. Mit dem Ende des „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation“ und der Gründung des „Rheinbundes“ durch Napoleon 1806 startet Bremm seine historische Aufarbeitung. Nach dem schließlichen Untergang Napoleons, den Revolutionsjahren von 1848/50 und der Entstehung des Deutsche Bundes, der von Anfang an unter dem preußisch-österreichischen Dualismus litt und im Krieg von 1866 mündete, führt Bremm seine Darstellung weiter. Er beleuchtet insbesondere alle Aspekte dieses Krieges, untersucht neben der Vorgeschichte auch den Weg in die Eskalation, den Schlachtenverlauf, die Kriegsführung im Zeichen neuer waffentechnischer Errungenschaften unter Einbeziehung des italienischen Kriegsschauplatzes. Für viele Historiker war eine militärtechnische Neuerung auf preußischer Seite kriegsentscheidend: das Zündnadelgewehr, ein Hinterlader, in dessen schnellem Salvenfeuer alle Angriffe der Österreicher, Sachsen oder Hannoveraner aufgehalten werden konnten. Aber diese Erklärung sei aus Sicht Bremms nur die halbe Wahrheit. Das hatte schon viele Jahrzehnte zuvor der US-Historiker Gordon A. Craig in seiner klassischen Analyse „Königgrätz“ festgestellt. Österreichs militärische Niederlage bei Königgrätz, die trotz des preußischen Zündnadelgewehrs eben nicht eine „zwangsläufige Entwicklung“ hätte sein müssen, veränderte aber dann das Machtgleichgewicht in Europa gravierend.

1866 - Es war mehr als ein verlorener Krieg   1866 war für Österreich weit mehr als ein verlorener Krieg. Es schied aus dem sich konstituierenden deutschen Nationalstaatenbund aus. Mit der Niederlage sah sich Österreich wichtiger historischer Grundlagen seiner inneren und äußeren Existenz schlagartig beraubt. Es verlor nicht allein seine Führungsrolle im Deutschen Bund, die ohnehin nur noch der Restbestand der einstigen Stellung war. Die Deutschen in Österreich büßten ihre bundespolitische Verbindung mit den Deutschen im Norden und Westen und damit ein tragendes Element ihrer Dominanz im eigenen Staat ein.

Eine mit Österreich verknüpfte deutsch-nationale Perspektive, ebenso ein österreichisch dominiertes föderalistisches Großdeutschland waren ein für alle Mal vom Tisch. Hatte ein föderalistisches Österreich eine Perspektive? Neben der starken deutschen Minderheit lebten Ungarn, Tschechen, Polen, Ruthenen, Italiener sowie mehrere Südslawenvölker und Slowaken in der Habsburger Monarchie. Die anderen größeren Völker der Donau-Monarchie, die Ungarn, Tschechen und Polen, die bislang von den Deutschen dominiert waren, sahen sich nun ermutigt und nutzten die Verlagerung der Kräfte, um Mitbestimmung in Staat und Politik zu erlangen. – Doch eine wirklich stabile föderative Struktur im Habsburger Reich konnte sich auch nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1867 nicht wirklich einstellen. Dem damals neu konstruierten System haftete stets die „Gefahr des Verfalls“ an. Der Anfang und das Ende der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die nur ein halbes Jahrhundert bestanden hat, sind mit verlorenen Kriegen verknüpft: dem Krieg gegen Preußen 1866 und dem Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918.

 Die bedrängte Großmacht  In seinem aktuell erschienenen politikgeschichtlichen Rückblick bezeichnet der deutsche Historiker Konrad Canis Österreich-Ungarn denn auch als „zweitrangige Großmacht“. Die inneren Instabilitäten in der Doppelmonarchie  belasteten die eigene Außenpolitik. Das galt vor allem in Bezug auf die Balkanstaaten, von denen zwei (Serbien und Rumänien) Mutterländer südslawischer und rumänischer Minderheiten in Österreich-Ungarn waren. Ähnlich gelagerte Spannungen waren gegenüber Italien angesichts einer italienischen Minderheit spürbar. Weil vor allem der Balkan für die „schwächelnde Großmacht“ neben dem Osmanischen Reich als „einziges äußeres Bewegungsfeld“ angesehen werden konnte, blieb Österreich-Ungarn dort auf die Vormacht fixiert, um die Balkanstaaten möglichst unter Kontrolle zu halten und den Einfluss des russischen Zarenreiches möglichst einzudämmen. Österreich-Ungarn suchte die Nähe zum Deutschen Reich und zu England (als traditionelle „balance of power“-Größe in Europa). Das Deutsche Reich verlangte als Preis für den Zweibund die „Dominanz“; England suchte nur den „Festlanddegen gegen Russland“, betont Canis. Nach einer kurzen Phase instabiler Kompromisse mit Russland kommt Österreich-Ungarn schließlich in die unmittelbare „Schusslinie“ der kontinentalen und weltpolitischen Spannungen zwischen Deutschland und den Mächten der Tripleentente Großbritannien, Russland und Frankreich. Letztere nehmen Wien als die „Achillesferse“ des Zweibundes ins Visier. Diese Mächte verstärkten zudem die Gegensätze zu den Balkanländern, wodurch die innere und äußere „Existenzkrise“ der Doppelmonarchie  immer bedrohlichere Ausmaße annahm. Das Fazit von Canis: „Österreich unterlag schließlich inneren und äußeren Zwängen. Es blieb eine zweitrangige, vielfältig bedrängte Großmacht.“

 

Wer die gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in einem historisch stets umkämpften Europa verstehen möchte, dem seien gerade in Bezug auf die Entwicklung Deutschlands und vor allem der Habsburger Monarchie (bis zu ihrem Ende) die hier kurz dargestellten Bücher ans Herz gelegt. Äußerst lesenswert.

 

Klaus-Jürgen Bremm, 1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger, Konrad Theiss 2016, 304 Seiten.

 

Konrad Canis, Die bedrängte Großmacht – Österreich-Ungarn und das europäische Mächtesystem 1866/67 - 1914, F. Schöningh 2016, 567 Seiten.

 

Bewertung: *****

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